Die 17 Sustainable Development Goals* (SDGs), welche die vereinten Nationen als Reaktion auf die sich abzeichnenden globalen Herausforderungen im Umwelt- und Sozialbereich definiert haben, der Green Deal, der mitunter das Ziel verfolgt, die EU bis 2050 klimaneutral zu organisieren, das Pariser Abkommen*, das darauf abzielt, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 2 Grad Celsius zu halten oder die EU-Taxonomie-Verordnung*, mit der versucht wird, auf europäischer Ebene klare Richtlinien vorzugeben, um feststellen zu können, inwieweit die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen zur Erreichung der Umweltziele der EU beitragen. Unterschiedliche politische Ansätze, die alle dasselbe Ziel verfolgen: Die Länder, den Kontinent, den gesamten Globus in eine nachhaltige und ressourcenschonende Zukunft zu lenken.
Welche Rolle dabei die Ökobilanzierung von Gebäuden spielt, wo genau die Zusammenhänge liegen und wie man eine Ökobilanzierung von Gebäuden durchführt, haben wir für euch recherchiert und mitunter einen Experten, Lukas Röder von der SCALE Umweltberatung GmbH, gefragt.
EU-Taxonomie-Verordnung
Im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung wurden europaweit insgesamt 6 Umweltziele* definiert. Diese sollen erreicht werden, indem man ein gemeinsames Klassifizierungssystem erstellt, um die Transparenz und Vergleichbarkeit von Investitionen in nachhaltige Projekte zu verbessern und sicherzustellen. Dadurch sollen finanzielle Mittel in umweltfreundlichere, sozial verträglichere und wirtschaftlich nachhaltigere Projekte investiert werden. Die Verordnung trat mit 1. Juli 2021 in Kraft und wird nun schrittweise umgesetzt.
Die Ökobilanzierung ist Teil davon und dient als ein Werkzeug von vielen, um den Fortschritt und das Erreichen der 6 Umweltziele messen zu können.
Was ist eine Ökobilanzierung und wie wird sie durchgeführt?
Da Ökobilanzierungen auch in anderen Branchen durchgeführt werden, spricht man im Gebäudesektor von der Ökobilanzierung von Gebäuden. Sie wird anhand der Lebenszyklusanalyse eines jeden einzelnen im Bauwerk verbauten Materials ermittelt.
Von der Abdichtung über den Anstrich bis hin zum Dachziegel, der Lebenszyklus wird vom Abbau der Rohstoffe und der Herstellung der Baumaterialien über die Nutzungsdauer bis hin zur Entsorgung analysiert. Nur so kann ermittelt werden, welche Auswirkungen ein gesamtes Bauwerk tatsächlich auf die Umwelt hat.
Klingt komplex, der Vorgang an sich ist jedoch unkompliziert: Für Baustoffe, die in Gebäuden verbaut werden, gibt es nämlich bereits sämtliche Kennzahlen und Werte zu den verschiedenen Umweltaspekten (Rohstoffgewinnung, Herstellung, Transport, Bau, Nutzungsphase, Instandhaltung und Abriss bzw. Entsorgung). Diese Kennzahlen und Werte werden nach genormter Vorgehensweise als sogenannte Umweltproduktdeklaration (EPD* - Environmental Product Declaration) gesammelt.
Die EPDs liegen in Datenbanken wie beispielsweise auf der Ökobaudat oder dem Baubook zur freien Einsicht auf und werden für die Berechnung der Ökobilanz eines Gebäudes herangezogen. Nachdem alle Materialien bzw. EPDs bekannt sind, kann die Ökobilanz erstellt werden.
„Aktuell (Dezember 2023) haben die Hersteller von Baustoffen noch keine Verpflichtung, EPDs zu erstellen, diese wird jedoch noch kommen.“, sagt Lukas Röder, der Unternehmen bei der Durchführung von Gebäudeökobilanzierungen unterstützt.
BIM-basierte Ökobilanzierung und der beste Zeitpunkt dafür
Die Ökobilanzierung eines Gebäudes ist ein umfangreicher Vorgang. Deshalb gibt es bereits BIM-basierte Softwares mit integrierten Schnittstellen zu den jeweiligen Datenbanken. Diese funktionieren, indem man ein BIM-Modell hochlädt, aus welchem die Software die Materialien erkennt und den entsprechenden EPDs zuordnet.
Es ist empfehlenswert noch vor Baustart eine Ökobilanzierung durchzuführen, um:
bessere Kenntnis über die Umweltwirkung der künftig verbauten Materialien zu bekommen und
gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können.
„Wir verfolgen einen Open-BIM-Ansatz, der auf Basis des offenen Datenaustauschstandards IFC das Mapping von Modellinhalten auf Ökobilanz-Datenbankeinträgen optimiert,“ sagt Lukas Röder „der BIM-basierte Ansatz bringt somit jenen Vorteil, dass die Informationen zu Materialität der einzelnen Bauteile sowie deren Mengen strukturiert vorhanden sind und die Verknüpfung von Datenbankeinträgen automatisiert bzw. beschleunigt werden.“
Was ist das Ergebnis der Ökobilanz von Gebäuden?
Ist es letztendlich ein einziger Wert?
Welche Skala gibt es und was sagt welcher Wert aus?
„Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen: In Österreich z.B. den Oekoindex* OI3 – das wäre ein einziger Wert (bei Bilanzgrenze 3: <200: hervorragende Ökobilanzierung).
Bei der DGNB*-Zertifizierung wird die Ökobilanz mit Referenz- und Zielwerten gegenübergestellt, was eine Vergleichbarkeit schaffen soll. Grundsätzlich bezieht sich die Ökobilanz auf mehrere Wirkungskategorien wie GWP* (Global Warming Potential), Luftverschmutzung, Energie- & Wasserverbrauch etc., die aus EPDs bezogen werden können.“, erklärt Röder.
Wer muss und ab wann ist eine Ökobilanzierung durchzuführen?
Die Ökobilanzierung von Gebäuden bezieht sich auf die EU-Taxonomie-Verordnung und betrifft somit alle Unternehmen in der EU.
„Im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten sind ab einer gewissen Unternehmensgröße ab dem Jahr 2025 für das Jahr 2024 gewisse Umweltwirkungen von Gebäuden über den Gebäudelebenszyklus nachzuweisen.", so Röder. Dies betrifft börsennotierte, die bereits der NFRD* unterliegen.
"Ab 2026 müssen alle Unternehmen mit im Jahresschnitt mehr als 250 Arbeitnehmern, und/oder mehr als 40 Millionen Euro Umsatz, und/oder mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme (2 von 3 Kriterien müssen erfüllt sein) über ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökologie, Soziales, Unternehmensführung berichten.“, sagt Lukas Röder. Die Ökobilanzierung von Gebäuden ist also ein Mittel, um über den Beitrag zur Nachhaltigkeit zu berichten.
Wofür lohnt sich der Aufwand, wenn eine Ökobilanz für mich nicht verpflichtend ist?
In erster Linie stellt man über die Ökobilanz fest, ob ein Gebäude nachhaltig ist. Weist ein Gebäude einen guten Ökoindex auf, können sich einige zusätzliche Vorteile ergeben:
Werterhaltung der Immobilie und
bessere Chancen auf (soziale) Förderungen.
Weiters bietet sie Möglichkeit, das Bauwerk dank der Kenntnis der verarbeiteten Materialien nach seiner Nutzungsdauer einfacher in die Kreislaufwirtschaft zu integrieren.
„Für die Kreditvergabe von neuen Projekten gibt es zwar noch keine klaren Vorgaben zur Ökobilanzierung (oder Vorteile, die eine Ökobilanzierung mit sich bringt,) es ist allerdings davon auszugehen, dass diese kommen werden.“, schätzt Lukas Röder die Lage in Zukunft ein.
Sie interessiert das Thema 3D Modellierung (BIM) und möchten mehr darüber erfahren oder Sie haben konkrete Fragen? Über einen gemeinsamen Austausch freuen wir uns sehr!
Michael Danklmaier,
Miviso Co-Founder
Tel.: +43 664 4563309
Glossar
SDGs: 17 Sustainable Development Goals
Pariser Abkommen 2030: Fast alle Länder der Erde haben sich verpflichtet, Nachhaltigkeitsziele zu setzen.
EU-Taxonomie – 6 Umweltziele - Umweltziel 1: Klimaschutz - Umweltziel 2: Anpassung an den Klimawandel - Umweltziel 3: Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen - Umweltziel 4: Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft - Umweltziel 5: Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung - Umweltziel 6: Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Mehr dazu finden Sie hier.
EPD: Environmental Product Declaration/Umweltproduktdeklaration Standardisierte, transparente Darstellung der Lebenszyklusanalyse eines einzelnen Produkts in Form eines Dokuments und beinhalten zum Beispiel das Global Warming Potantial (GWP – Auswirkungen auf den Treibhauseffekt, gemessen in Einheiten von CO2-Äquivalenten), Ressourcenverbrauch (Energie, Wasser, Materialien), Luft- und Wasserverschmutzung (Emissionen, die während des Lebenszyklus entstehen können), andere relevante Umweltaspekte je Produkttyp. „Die EN 15978 regelt die LCA (Life Cycle Analysis/Lebenszyklusanalyse) in Europa, somit ist die Methodik der Erstellung der EPDs in der EU immer dieselbe. Lediglich die zugrunde liegenden Datenbanken werden national organisiert.“, so Lukas Röder.
Ökoindex (OI3): Der Öko-Indikator (OI3) wurde 2003 vom IBO entwickelt. Er ermöglicht eine vereinfachte, quantitative Bewertungsmethode für Baustoffe, Konstruktionen und Gebäude auf Basis von Ökokennzahlen und Ökobilanzdaten. Dabei orientiert man sich an den Baubook-Richtwerten. Die Interpretation dieser Werte hängt von den Zielen der Ökobilanz und den Umweltauswirkungen ab. Quellen und weitere Informationen finden Sie hier und hier.
ÖGNB: Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen– Teil des internationalen Netzwerks von Green Building Council
GWP: Global Warming Potential - Das GWP misst die langfristige Auswirkung eines Treibhausgases auf den Treibhauseffekt im Vergleich zu Kohlendioxid (CO2), das als Referenzwert mit einem GWP von 1 bewertet wird. Andere Treibhausgase werden mit höheren GWP-Werten bewertet, um ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf den Klimawandel zu berücksichtigen.
NFRD: Non-Financial Reporting Directive - Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (Directive 2014/95/EU). Diese EU-Richtlinie legt die Anforderungen für die Offenlegung von nichtfinanziellen und die Diversität betreffenden Informationen durch bestimmte große Unternehmen fest. Die NFRD verpflichtet Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, die als öffentliche Kapitalgesellschaften oder als Unternehmen des öffentlichen Interesses gelten, nichtfinanzielle Informationen in ihren Lageberichten offenzulegen.
Diese nichtfinanziellen Informationen können Umwelt- und Sozialaspekte, Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung umfassen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Kreislaufwirtschaft im Bausektor: Ressourcen durch Wiederverwendung, Recycling und nachhaltige Gestaltung zu optimieren, um Abfall zu minimieren und die Umweltauswirkungen von Bauprojekten zu reduzieren.
Klimaaktiv Gebäude: "klimaaktiv Gebäude" ist eine österreichische Qualitätsmarke für nachhaltiges Bauen und Sanieren. Diese Initiative wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Österreich ins Leben gerufen. Das Ziel von klimaaktiv Gebäude ist es, energieeffiziente, klimafreundliche und nachhaltige Bau- und Sanierungsmaßnahmen zu fördern; Schwerpunkte: Energieeffizienz, Nachhaltige Bauweise, Zertifizierung und Qualitätsstandards, Forschung und Entwicklung.
Klimaneutralität 2040: Nationales, österreichisches Ziel
ESG: Environmental Social Governance – Ansatz der Unternehmensbewertung mit Blick auf Umwelt, Soziales und Governance (Nachhaltigkeitsberichterstattung)
Greenbuilding Zertifizierung: Es gibt nicht „die eine“ Green Building Zertifizierung. Weltweit gibt es unterschiedliche Bewertungssysteme oder Zertifizierungsstandards für Gebäude, die umweltfreundliche und nachhaltige Baupraktiken angewandt haben. Bekannte Green Building Zertifikate sind LEED, BREEAM, DGNB, Green Star, WELL Building Standard, Living Building Challenge Jedes dieser Systeme hat seine eigenen Kriterien, Schwerpunkte und Bewertungsmethoden. Die Auswahl einer bestimmten Zertifizierung hängt oft von den Zielen und Prioritäten des Bauvorhabens oder der Organisation ab. Einige Zertifikate, wie LEED und BREEAM, sind international weit verbreitet und werden in vielen Ländern angewendet. Andere, wie DGNB oder Green Star, haben einen stärkeren regionalen Fokus, z. B. zielt „European GreenBuilding“ lediglich auf den Energieverbrauch eines Bauwerks ab.
Nachhaltigkeitsberichterstattung: Im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten sind ab einer gewissen Unternehmensgröße ab dem Jahr 2025 für das Jahr 2024 gewisse Umweltwirkungen von Gebäuden über den Gebäudelebenszyklus nachzuweisen. Ab 2026 müssen alle Unternehmen mit im Jahresschnitt mehr als 250 AN, und /oder mehr als 40 Millionen Umsatz, und/oder mehr als 20 Millionen Bilanzsumme (2 von 3 Kriterien müssen erfüllt sein) über ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökologie, Soziales, Unternehmensführung berichten.
Ökobaudat/Baubook: Datenbanken, welche die einzelnen EPDs enthalten
Normen: ISO 14040, ISO 14044, EN 15804, EN 15978
EN 15978: Die EN 15978 legt eine Methode zur Berechnung von Umweltproduktdeklarationen (EPD) für Bauwerke fest. Eine Umweltproduktdeklaration ist eine standardisierte Darstellung der Umweltauswirkungen eines Produkts oder einer Dienstleistung über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg. In Bezug auf Bauwerke umfasst die EN 15978 Aspekte wie den Energieverbrauch, die Ressourcennutzung, den Treibhausgasausstoß und andere Umweltindikatoren. Die Methode basiert auf der Ökobilanz-Methode und ermöglicht es, die Umweltauswirkungen von Gebäuden zu quantifizieren und zu vergleichen.
EN 15804: Nachhaltigkeit von Bauwerken - Umweltproduktdeklarationen von Bauprodukten: Diese Norm spezifiziert die Regeln für die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPD) für Bauprodukte. Sie basiert auf den Prinzipien der ISO 14040 und ISO 14044, ist jedoch speziell auf die Anforderungen des Baubereichs zugeschnitten.
ISO 14044: Umweltmanagement - Ökobilanz - Anforderungen und Anleitungen: Diese Norm stellt konkrete Anforderungen und Leitlinien für die Durchführung von Ökobilanzierungen bereit. Sie bietet detaillierte Anleitungen für die Datensammlung, Bewertung von Umweltauswirkungen und die Interpretation der Ergebnisse.
ISO 14040: Umweltmanagement - Ökobilanz - Grundsätze und Rahmenbedingungen: Diese Norm legt die allgemeinen Prinzipien und Rahmenbedingungen für die Durchführung von Ökobilanzierungen fest. Die ISO 14040 bildet die Grundlage für die gesamte Familie von Normen im Bereich der Ökobilanzierung.
ISO 14025: Umweltkennzeichnungen - Umweltdeklarationen - Art der Umweltkennzeichnung (Type III): Diese Norm behandelt Umweltkennzeichnungen vom Typ III, zu denen auch Umweltproduktdeklarationen (EPD) gehören. Sie legt die Prinzipien und Rahmenbedingungen für die Kommunikation von Umweltauswirkungen in Form von Umweltdeklarationen fest.
Ökobilanz vs. Ökologischer Fußabdruck
Der Ökologische Fußabdruck betrachtet den gesamten Ressourcenverbrauch und die Umweltauswirkungen. Er misst die biologisch produktive Fläche, die benötigt wird, um die Konsum- und Produktionsmuster aufrechtzuerhalten und die entstandenen Abfälle zu absorbieren.
Die Ökobilanz hingegen bezieht sich auf ein Produkt über den gesamten Lebenszyklus hinweg, also der Herstellung, der Nutzung sowie der Entsorgung.
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